Wie Bobby Herrmann ein smartes Plus-Size-Blogazin aufbaute
Als Plus-Size-Käuferin fand Bobby Herrmann-Thurner es stets mühsam, ansprechende Mode zu finden. Ihr Blogazine ?Curvect? nimmt sie sich des Themas an.
Der Name Curvect setzt sich aus curvy und perfect zusammen. Bobby Herrmanns Blog mit Magazincharakter setzt sich mit den Themen von Frauen auseinander, die ihre Bekleidung in der Abteilung Plus Size suchen – und mit dem herkömmlicherweise Angebotenem nicht glücklich sind. Auf Curvect geht es lustvoll und ästhetisch zu – schlechtes Gewissen hat ebensowenig Platz wie verzweifelte Diätratgeber.
Eigenbedarf als Geschäftsidee
Wenn man in die Kategorie Plus-Size fällt, stellt man rasch fest, dass sich die Modeindustrie nur für Konfektionen bis Größe 44 zuständig fühlt. In Zeitschriften und der Werbung habe ich jedenfalls nie Mode für mich entdeckt. Das ist erstaunlich, denn viele Frauen haben ganz offensichtlich ähnliche Bedürfnisse wie ich. Genau diese Frauen sind die Zielgruppe, die ich erreichen will. Aber ohne die übliche bigotte du-bist-super-genau-so-wie-du-bist-Rhetorik, die gleich auf der nächsten Seite durch Diättipps konterkariert wird.
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Gesundes Selbstbewusstsein
Natürlich beschäftigen wir uns auch mit gesunder Ernährung. Aber wichtiger als bloß das Gewicht scheint mir eine gesunde Einstellung: Dazu gehört auch Empowerment, also das Sichtbar-Machen von Menschen, die nicht ins aktuelle Körperschema passen, und das Stärken ihres Selbstbewusstseins, das damit einhergeht. In der Mode und vor allem auch in der Kunst finden sich ja durchaus Blickwinkel, die viel weniger von kommerziellen Aspekten dominiert werden, und Körper, die in all ihrer Vielfalt dargestellt sind.
Vielfältige Themen
Ein Blog ist ja eher persönlich und subjektiv. Um das Thema umfassender behandeln zu können, gestalte ich Curvect als Blogazine. Das heißt, ich veröffentliche auch Beiträge anderer Autoren. Schwerpunkt ist natürlich die Mode – Designer, die Plus-Size-Mode machen. Dazu kommen Interviews mit Menschen, die etwas zum Thema zu sagen haben, etwa Künstler, Wissenschaftler, Menschen des öffentlichen Lebens. Wir wollen die Vielfalt als Normalität zeigen und Vorurteilen, etwa jenem des faulen, dicken Menschen etwas entgegenstellen.
Derzeit bereiten wir eine neue Rubrik zum Thema Essen vor, ich verhandle dazu mit einer Food-Bloggerin. Mir geht es beim Thema vor allem um den Genuss, der den Dicken gerne abgesprochen wird. Landläufig glauben ja viele, es ginge ihnen nur um die schiere Menge. Aber gerade wenn man dicker ist, sollen Nahrungsmittel auch Genussmittel und vor allem auch gesund sein. Wir möchten Lokale vorstellen und Rezepte vorschlagen, die diese Aspekte vereinen.
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Einnahmen durch Beratung und Links
Curvect finanziert sich aus mehreren Quellen: Alle Inhalte werden in Form von Blogs, Artikeln und Bildern behandelt, die teilweise auch von Partnern finanziert und dann auch als bezahlter Content deklariert werden. Und auch das Know-how, das ich mir mit Curvect erarbeitet habe, kann ich verwerten, indem ich als Konsulentin weitere Einkünfte generiere. Ich komme ursprünglich aus der PR-Branche und weiß, dass es jede Menge Firmen gibt, die sich mit dem Thema Plus-Size auseinandersetzen wollen, aber nicht wissen, wie sie zum Beispiel an jüngere Zielgruppen kommen.
Und schließlich haben wir den Plus-Size Fashion-Guide entwickelt, eine mit Curvect verlinkte Plattform, die Plus-Size-Boutiquen aus ganz Österreich präsentiert. Wir bieten dafür verschiedene Pakete an, eine Art Mitgliedschaft, in deren Rahmen unsere Kunden in unterschiedlicher Intensität mit der Community kommunizieren können und so direkt an ihr Zielpublikum herankommen.
Wachsen mit Partnern
Mit dem Bloggen habe ich bereits neben meiner Tätigkeit in der PR-Agentur angefangen. Im Oktober 2016 habe ich Curvect als Unternehmen gegründet. Die Investitionen habe ich größtenteils aus eigenen Reserven bestritten. Meine Geschäftspartnerin hat die finanziellen Mittel für die technische Umsetzung der beiden Seiten zur Verfügung gestellt und ist mir als Businesscoach zur Seite gestanden. Die größte Investition ist aber wohl die eigene Arbeitszeit, die ich aber lieber nicht quantifiziere. Natürlich habe ich vor dem Start eine Marktanalyse gemacht, blauäugig sollte man sich nicht in die Selbständigkeit stürzen. Das hat mir bestätigt, dass der Markt da und gar nicht einmal so klein ist. Mittlerweile habe ich aber festgestellt, dass ich eher Wegbereiterin als Marktteilnehmerin bin. Das heißt, ich lerne mich in Geduld zu üben. Ich kann immerhin die Basiskosten des Projekts bezahlen. Mit Juni 2017 hatten wir immerhin schon bis zu 10.000 LeserInnen und bis zu 20.000 Page Views pro Monat.
Das Spektrum erweitern
Meine nächsten Pläne: Ich möchte mehr Gastautoren beschäftigen und auch bezahlen können. Auch ein Event nur für uns Plus Size-Menschen möchte ich auf die Beine stellen. Da dürfen dann natürlich auch andere, sogenannte normale Menschen kommen – bis auf den Karl Lagerfeld vielleicht, der sich vom Paulus zum Saulus gewandelt hat, auch wenn er sich zwischendurch mal mit Beth Ditto fotografieren hat lassen.
Und langfristig wäre es natürlich ein Traum, tatsächlich ein Magazin auf Papier zu drucken und durch Inserate zu finanzieren. Für den Moment stimmt mich aber schon die Tatsache zufrieden, dass Frauen auf Curvect Mode sehen, in der sie gut aussehen und die sie auch wirklich kaufen können. Das hat mich nämlich in meiner Jugend immer frustriert, dass mir nichts von dem, was beworben wurde, passte. Damit macht Curvect jetzt Schluss.
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