So geht selbständig.

Carola Hinterer war dabei, Ihr Studium der Bildhauerei abzuschließen, als Laurent Morelli ihr in Hallstatt über den Weg lief. Er war gerade nach Wien gezogen, um dort als Kunstgeschichtler und Gastrosoph schreibend Karriere zu machen. Auch seine Talente als Food-Stylist waren gefragt. Sie wollte ihr Studium der Bildhauerei mit einem Jahr in Berlin abrunden. Beste Voraussetzungen also für eine erfolgversprechende Zukunft.

Da erreichte Carola ein Hilferuf der Familie, der Campingplatz am See in Obertraun bedürfe der Betreuung, die Schwester sei wegen des Studiums unabkömmlich, der Mama wäre es nicht mehr zuzumuten. Carola begann sich also pflichtbewusst des Platzes anzunehmen, unterstützt von Laurent, zunächst als Wochenend-Pendler, dann schließlich ständig.

Sommerjob im Familienunternehmen

Meine Eltern haben das Grundstück 1965 gekauft, urbar gemacht und – wie damals üblich – sehr simpel als Campingplatz geführt. Ich habe dort im Sommer immer unentgeltlich gearbeitet, auch damit meine Schwestern ungestört studieren konnten.

Ich war damit eigentlich immer ein bisschen unglücklich, aber der Deal war: Ich mache das so lange, bis die Schwestern fertig sind, und dann bin ich frei. Dann sollte die eine Schwester das Grundstück mit dem Campingplatz bekommen, und ich das alte Haus mit der großen Halle, in der mein Vater, ein Baustoffhändler, seinen Fuhrpark untergebracht hatte.

Doch es kam anders. Mein Vater erkrankte, die Schwestern studierten immer noch, ich sprang ein und als meine Mutter mich fragte, ob ich den Campingplatz nicht übernehmen wollte, war ich bereits voll hineingekippt.

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Am Campingplatz hängen geblieben

Wenigsten konnte ich nun machen, was ich wollte. 1995 begann ich alles umzukrempeln. Mein Vater hatte alles mühsam eingeebnet und einen Rasen angelegt. Ich grub Löcher und setzte jede Menge Pflanzen, mit dem Ziel, das Grundstück zu renaturieren. Ich hatte damals auch schon länger meine Probleme mit der Art der Gäste, „klassische“ Camper, mit denen ich das volle Potenzial des Ortes in seiner Schlichtheit nicht würde ausschöpfen können. Und so beschlossen Laurent (der damals schon eindeutig Teil meines Lebens war) und ich, dem Projekt eine neue Richtung zu geben.

Der erste Schritt war, dass wir alle Dauercamper gekündigt haben. Die neu Ankommenden haben wir, wie wir es nannten, „parkgerecht“ eingeteilt. Das hat dazu geführt, dass wir zwar einen schöneren Platz, aber fast keine Gäste mehr hatten. Und weil die Charterflüge auch immer billiger geworden sind und so der Urlaub am Meer so für viele erst möglich wurde, haben wir den Gewinn in den ersten Jahren mit unserer Taktik konsequent auf null hinunter gearbeitet.

Nullsummenspiel dank Strukturwandel

Aber dennoch: Wir hatten eine Idee, wo sich das Konzept hin entwickeln sollte. Uns war klar: Wir mussten einzigartig und unverwechselbar werden, die Kunden sollten ganz gezielt zu uns kommen, nicht weil wir zufällig an ihrem Urlaubsziel im Salzkammergut liegen.

Also haben wir, stets kritisch vom Vater beobachtet, umzubauen begonnen. Wir haben aus dem Platz einen Park gemacht und das alte, schlichte Buffet zu einer repräsentativen Rezeption mit Café-Bar und Frühstücksraum umgebaut.

Jedes Mal, wenn er im Krankenhaus war, haben wir irgendetwas rausgerissen. Manchmal hat meine Schwester, die nun endlich fertige Medizinerin war, ihn überredet, noch zwei Tage zu bleiben, weil wir noch etwas fertig machen mussten. Und er hat schließlich auch verstanden, dass wir nach seinem Konzept nicht überlebt hätten. Die alten Camper sind weitergezogen, neue nicht nachgekommen. Als stets wirtschaftlich denkender Mensch hat er unserer Idee, exklusiv zu werden, schließlich den Sanctus gegeben.

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Neuausrichtung dank Qualitätsoffensive

Unsere Strategie war: mehr Qualität, ein ästhetisches Konzept, ein naturbelassener Park ohne Chemie, ein hochwertiges gastronomisches Angebot mit ausgewählten Weinen und Snacks. Und die tolle Lage gegenüber dem Weltkulturerbe Hallstatt und der Zugang zum kristallklaren See ließen sich natürlich auch vermarkten.

Ab Sommer 2010 haben wir langsam wieder eine Stammklientel aufgebaut, die all das zu schätzen wusste. Bald wurden wir als Geheimtipp unter Freunden weitergereicht. Und dann konnten wir die Saison verlängern, weil die Gäste nicht nur mehr zum Baden kamen.

Saisonverlängerung mit gastronomischem Angebot

Dank dem verbesserten Angebot am Buffet lassen die Gäste auch mehr Geld da. Um dieses und um die Rezeption kümmert sich jetzt Laurent, seine Erfahrungen aus Jahrzehnten in der Food-Szene und seine Fremdsprachenkenntnisse kann er da perfekt einbringen.

Ich hingegen tobe mich bei den baulichen Maßnahmen aus. Mein Vater hat mich ja praktisch als Sohn – und zwar als Maurer – erzogen, eine beinahe klassische Rollenverteilung. Also: Er hinter dem Herd, Sie an der Mischmaschine. Und unsere Tochter Lea hilft natürlich im Sommer mit – ein Campingplatz funktioniert ja nur als Familienbetrieb. Sie ist mittlerweile ganzjährig angestellt und voller Begeisterung dabei.

Crowd-Working statt Crowd-Funding

Und es funktioniert auch nur, wenn man das meiste selbst macht. Wir haben ganz bewusst keinen Kredit aufgenommen, weil wir den mit einer ungefähr dreifachen Hypothek hätten absichern müssen. Nach einem schlechten Geschäftsjahr hätte die Gefahr bestanden, das Grundstück an die Bank zu verlieren – unvorstellbar!

Also haben wir all unsere Ersparnisse zusammengekratzt, Laurent dazu noch das Geld, das er während der Woche in Wien mit Food-Fotografie verdient hat, am Wochenende ist er am Platz gestanden. Und wann immer sie Zeit hatten, haben Freunde geholfen. Statt Crowd-Financing zu betreiben haben wir uns also quasi mittels Crowd-Working über Wasser gehalten.

Gypsy-Flair für die Neupositionierung

Der größte Schritt in Sachen Unverwechselbarkeit und Luxus waren zweifellos die Gypsy-Wägen. Ich hatte als Kind ein Buch, das beschreibt, wie ein Mädchen in einem Zigeunerwagen lebt. So einen wollte ich unbedingt auch. 30 Jahre habe ich danach gesucht. Vor vielen Jahren wurde meiner Schwester und mir sogar so ein Wagen von einem Sammler, der bei uns Gast war, angeboten, um „nur 100.000 Schilling“, völlig utopisch damals!

Wir haben schließlich einen völlig desolaten Wagen gekauft, unsere „Manouche“, und ihn möglichst authentisch renoviert. Und wenig später habe ich den Wagen von damals in einer Zeitschrift als Location für Modefotos entdeckt und ihn mühsam aufgespürt. Er stand bei einem Sammler in Norddeutschland, ich habe ihn mehrmals angerufen, bis er schließlich eingewilligt hat, ihn mir um 20.000 Euro zu verkaufen – unter der Voraussetzung, dass ich am nächsten Tag mit dem Geld bei ihm wäre und den Wagen sofort mitnehme. Also haben wir das Geld zusammengekratzt, sind in der Nacht aufgebrochen und haben ihn geholt.

Mit Mundpropaganda zum Erfolg

„Manouche“ hat eine Lawine losgetreten. Die Nachfrage im ersten Sommer war enorm, also haben wir „Django“ relativ ruhigen Gewissens gekauft. Das war tatsächlich der Wagen von Django Reinhardt, dem legendären Roma-Gitarristen, ein echtes Prachtstück. Jeder, der in einem dieser Wagen übernachtet hatte, kam am Morgen mit verklärtem Blick zum Frühstück, erzählte Freunden und Bekannten von diesem einzigartigen Erlebnis, und wir haben gewusst: Das ist der richtige Weg für uns. Die exklusiven Zimmer, die wir auch anbieten wollten, konnten wir mangels Baugenehmigung nie realisieren, mit den Wägen hatten wir aber ein noch wesentlich attraktiveres Angebot für unsere Gäste.

Erfolgsrezept naturnaher Luxus

Also sind wir genau diesen Weg weiter gegangen, wir mussten ja Umsätze und Gewinn steigern, schließlich sollte die ganze Familie von dem Betrieb leben können. Mit dem neuen Konzept haben wir eine völlig neue Klientel angesprochen. Unsere Idee von Luxus, nämlich mit allen Annehmlichkeiten mitten in der unzerstörten Natur Urlaub machen zu können, trifft eindeutig voll den Zeitgeist.

Den Rasen haben wir zum Beispiel nie gedüngt oder gegossen, dadurch ist eine natürliche Wiese voller Blumen und Kräuter entstanden, die wir auch täglich ernten und etwa in Salaten oder Pestos verkochen. Das sehen die Gäste und wissen es zu schätzen.

Wir haben auch weitere neue Wägen angeschafft, und basierend auf unseren Erfahrungen und dem Feedback der Gäste renoviert und adaptiert. Außerdem haben wir zusätzliche Attraktionen geschaffen, wie etwa eine Sauna oder das Badehaus, die natürlich dem ästhetischen Konzept entsprechen und zu den Wagen passen.  

Globaler Erfolg

Inzwischen kommen Buchungen von überall auf der Welt. Es vergeht keine Woche, in der wir nicht Gäste aus Australien oder Asien begrüßen, die extra wegen uns kommen. Was dazu geführt hat, dass wir heuer zum ersten Mal ausgebucht sind und einen Rezeptionisten und zwei Stubenmädchen anstellen können. Wofür wir die gewonnene Zeit nutzen ist auch schon klar: Demnächst wird man bei uns in einer historischen Dreschmaschine übernachten können!

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