Vom Immobilienbusiness in die Landwirtschaft: So gelang der Umstieg
Nach Jahren im Immobiliengeschäft erfüllte sich Michael Sailer-Tarbuk den Traum von der eigenen, nachhaltigen Landwirtschaft.
Folgt man in Ochsenburg bei Sankt Pölten dem kleinen Hinweisschild, das "jeden Freitag frischen Fisch" verspricht, findet man sich nach ein paar hundert Metern Feldweg in einem kleinen Paradies wieder. Inmitten von Hügelbeeten, Gemüsegärtchen und Schilf versteckt liegt eine Hand voll Teiche, fette Gänse genießen darauf die letzten Tage vor Martini, aus dem Rauchfang des neuen Räucherofens entweichen duftende Schwaden. Wir befinden uns auf "Mike?s Farm".
Erkenne deine Verantwortung
Als Vater dreier Kinder möchte man diesen natürlich eine sichere Zukunft ermöglichen. Die materielle Sicherheit alleine war mir aber zu wenig. Wir haben sie von klein an möglichst natürlich und gesund ernährt. Doch das Nahrungsmittelangebot in den Supermärkten wird immer chemischer, vieles wird industriell hergestellt. Echte Lebensmittel zu finden wird schwerer und teurer. So reifte in mir der Plan zum Selbstversorger zu werden und dabei auch auf Nachhaltigkeit und eine gesunde lokale Kreislaufwirtschaft zu setzen.
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Schaffe deine neue Basis.
Nach zwanzig Jahren im Immobiliengeschäft hatte ich schließlich mit "Self Storage" ein Unternehmen, das ich gewinnbringend verkaufen konnte. Mit dem Erlös habe ich sieben Hektar Land in der Nähe von Altlengbach mit einem alten Hof darauf gekauft. Den haben wir erst einmal gründlich saniert. Wir haben die ersten Hühner und Kamerun-Schafe für den Hausgebrauch angeschafft. Und wir haben die umliegenden Weiden mit Wechselweidewirtschaft und ressourcenschonender Bewirtschaftung und Nutzung durch Freilandhaltung renaturiert.
Finde deine Produkte.
Das erste Produkt, das wir in Ab-Hof-Vermarktung verkauft haben, war unser Cröllwitzer Truthahn: eine leichtgewichtige Pute mit einem Schlachtgewicht von maximal 5 Kilo, die sich durch besonders feinfaseriges Fleisch auszeichnet. Dazu kamen bald verschiedene Hühnerrassen: Grünleger, die wegen ihrer cholesterinarmen Eier interessant sind und die Bressehühner, die wegen ihres Fleisches geschätzt werden. Irgendwann begannen wir dann, auch unsere Schafe nicht nur selbst zu essen, und eines Tages stellte ich fest: ohne Schweine bist du kein Bauer, und so wir haben uns ein paar Schwäbisch-Hällische Landschweine zugelegt.
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Setze auf Nachhaltigkeit und Kooperationen.
Prinzipiell suchen und finden die Tiere ihr Futter vor Ort. Wir haben verschiedene Futterpflanzen auf den Weiden ausgesät, natürlich nur unter Verwendung natürlicher Samen. Wir haben Sorten ausgewählt, die unter natürlichen Bedingungen hier gedeihen, also ohne Dünger oder Pflanzenschutzmittel.
Was wir sonst noch brauchen, produzieren Landwirte, die das können, auf Äckern, die wir nicht selbst bewirtschaften. Statt Pacht bekomme ich Futter. In den Teichen haben wir kleine Futterfische ausgesetzt die sich rasant vermehren. Die Forellen jagen sie, wie in der Natur, dadurch bleiben sie gesünder und schmecken besser.
Und neulich haben wir entdeckt, dass sich Krebse angesiedelt haben, die sind aus der nahen Traisen zugewandert. Krebse sind quasi die Lebensmittelpolizei in der Natur, sie entsorgen allen anorganischen Überfluss, halten die Algen im Zaum und sind darüber hinaus eine echte – und gut bezahlte –Delikatesse.
Diversifiziere dein Angebot.
Unsere Teichanlage wird direkt von der Traisen mit hervorragendem Frischwasser gespeist. Sie hat gut zehn Jahre im Dornröschenschlaf verbracht. 2014 haben wir sie von der alten Eigentümerin gekauft und wiederbelebt. Von ihr haben wir auch das Haus etwas oberhalb des Ufers erstanden, in dem wir jetzt Wohnungen vermieten. Die Nachfrage ist groß, viele Wiener genießen jetzt als Pendler die Lage.
Wir versuchen durch behutsame Eingriffe laufend den Lebensraum der Fische und das natürliche Umfeld zu optimieren. Durch gezielte Bepflanzung und sanfte Ufergestaltung schaffen wir Lebensraum für Plankton, kleinere Fischarten und andere Lebewesen. Das bringt einen hohen Anteil an Naturnahrung und fördert das natürliche Verhalten der Fische.
Kürzlich haben wir unseren neuen Räucherofen in Betrieb genommen. Ein Bekannter hat eine Lehmgrube in der Nähe, alle drei Jahre heizt er den Brennofen an und produziert hervorragende handgestochene, unbehandelte Ziegel, die eine perfekte Hitzeführung ermöglichen. So kommt der Geschmack der Forellen perfekt zur Geltung.
Unsere Produkte vermarkten wir ausschließlich direkt: entweder im Hofladen, hier am Teich oder auf Märkten. Jeden Samstag etwa stehe ich mit meinem Ape-Verkaufswagen in Altlengbach. Direktkunden beliefere ich regelmäßig, einmal in der Woche zumindest bin ich Wien. Und demnächst beginnen wir auch unser Schweinefleisch selbst zu verarbeiten: Ein Bekannter, der Bisons züchtet, hat sich eine behördenkonforme Fleischerei zugelegt. Bald gibt es also auch Fleisch und Würste, die meinen Ansprüchen gerecht werden.
Genieße deine Freizeit.
Der Fischteich ist nicht nur Produktionsstätte, er hat sich zu einem gefragten Freizeitziel gemausert. Auch das trägt dazu bei, die Kosten zu decken. Im größten der sechs Teiche können unsere Kunden Angeln, die Ausrüstung von der Rute bis zum Köder bekommen sie von uns. Sie können bei uns auch ein Forellenpicknick bestellen, selber grillen, räuchern und kochen oder sich einfach von uns verwöhnen lassen.
Man kann bei uns ein Selbstversorgerbeet bestellen und so wenigstens für diesen Teil seines Salats und Gemüses nachvollziehen wo und wie es gewachsen ist. Vergangenen Sommer haben wir ein paar Beete syrischen Flüchtlingsfamilien zur Verfügung gestellt, die in der Nähe untergebracht waren. Seither weiß ich, dass in meiner Permakultur sogar Okra gedeihen und habe wieder eine Menge dazugelernt!
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