SMart: Wie eine Idee aus Belgien Kreativen das Leben erleichtert
Um die Arbeitsbedingungen für Kreative zu verbessern, holten die Kulturmanagerinnen Sabine Kock und Andrea Wälzl die solidarökonomische Organisation SMart nach Österreich
Die Initiatorinnen von SMart Österreich, Sabine Kock und Andrea Wälzl, übernahmen ein erfolgreiches Konzept aus Belgien und ermöglichen damit Neuen Selbstständigen, Papierkram abzugeben und ihre Honorare in Anstellungen zu investieren. Mittlerweile nutzen Neue Selbstständige aus allen Branchen den Service der Genossenschaft, um trotz freier Arbeit die Sicherheit einer Anstellung zu genießen.
Eigene Erfahrung
Wir kommen beide aus dem freien Theaterbereich und haben uns schon lange Gedanken über die Möglichkeit von Anstellungsverhältnissen in dieser Branche gemacht. Kunstschaffende und Kreative leiden ja seit jeher unter prekären Arbeitsverhältnissen. 2011 hat Sabine den Gründer von SMart Belgien bei einer Podiumsdiskussion in Schweden kennengelernt und das Konzept hat uns sofort gefallen.
Wir wollten diese Idee auch in Österreich umsetzen und gründeten noch im selben Jahr einen Verein. Wir mussten zunächst viele rechtliche Dinge klären, wir konnten ja das belgische System nicht eins zu eins für Österreich übernehmen. Sehr bald merkten wir, dass unser Projekt nicht nur für Kunstschaffende und Kreative, sondern darüber hinaus ganz allgemein für Leute mit kurzfristigen und projektbezogenen Arbeitsverhältnissen interessant ist.
Vom Verein zur Genossenschaft
Rasch wurde uns klar, dass für Wachstum eine andere Organisationsform als ein Verein nötig ist, eine GmbH war für unsere Zwecke aber auch nicht das Richtige. Jeder, der für SMart arbeitet, sollte auch die Möglichkeit haben, Miteigentümer, also Mitunternehmer zu werden und sich gleichzeitig anzustellen. Dieses Prinzip gibt es nur bei der Genossenschaft. Diese Organisationsform ist demokratisch, erweiterbar und gehört allen, die mitmachen. Trotzdem sind wir auch ein Unternehmen, das auf seine wirtschaftliche Solidität und sein Wachstum achten muss.
%MEDIUM-RECTANGLES%
Was SMart für User und Mitglieder tut
Es geht um soziale Absicherung und Rechtssicherheit für Neue Selbstständige. Etwa 90 Prozent der Leute, die zu uns kommen, bringen Honorare in die Genossenschaft ein und investieren das Geld in ihre Anstellung. Die Strategien sind unterschiedlich, manche wollen für einen ganz geringen Lohn und langfristig angestellt werden, damit sie sozialversichert sind. Andere lassen sich nur monatsweise und für kurzfristige Projekte anstellen.
Derzeit (Stand März 2018) nutzen 460 registrierte Userinnen und User den Service von SMart. Sie wickeln Aufträge über uns ab und das funktioniert folgendermaßen: Nicht mehr der User ist Vertragspartner seines Auftraggebers, sondern die Genossenschaft. Wir stellen eine Honorarnote, ziehen nach Erhalt 7,5 Prozent Servicegebühr ab und verwenden den verbleibenden Betrag für die Anstellung. Da die Lohnnebenkosten in Österreich sehr hoch sind, bleiben den Userinnen und Usern netto etwa zwischen 50 und 60 Prozent des Honorars. Wir übernehmen gegebenenfalls auch das Mahnwesen. Falls der Auftraggeber trotzdem nicht zahlen sollte, greift eine Ausfallshaftung, und der betroffene User erhält trotzdem sein Gehalt.
Wem SMart helfen kann, und wem nicht
Unsere Zielgruppen sind alle Neuen Selbstständigen, egal ob sie kreativ arbeiten oder nicht. Die Grenze müssen wir ziehen, wenn jemand einen Gewerbeschein oder bestimmte Befähigungsprüfungen braucht. Für solche Selbstständige kann SMart derzeit nichts tun. Wir überlegen aber, bestimmte Gewerbescheine, etwa für Fotografie, zu erwerben. Besonders interessant ist SMart auch für Leute, die immer wieder vorübergehend im Ausland arbeiten. Wenn sie die Aufträge über uns abwickeln, bleiben sie in Österreich sozialversichert und zahlen in ihrem Heimatland auch in die Arbeitslosen- und Pensionskasse ein, obwohl sie zum Beispiel drei Wochen in Schweden arbeiten.
Wie SMart Geld verdient
Wenn ein User einen Auftrag über uns abwickelt, ziehen wir 7,5 Prozent vom Nettohonorar ab. Damit decken wir die Kosten für Infrastruktur, die Lohnverrechnung, die Mitarbeiterinnen und den Mitarbeiter, aber auch für die Ausfallshaftung. Derzeit arbeiten mehrere Teilzeitbeschäftigte für SMart.
Sabine ist für die strategische Entwicklung, Andrea für den Finanzbereich zuständig, unsere Kollegin Lisa ist die Juristin. Prinzipiell sind wir alle beratend tätig und entscheiden gemeinsam über die Serviceentwicklung. Noch können wir uns nicht selber finanzieren und bekommen eine Anschubfinanzierung von SMart Belgien. Sobald wir uns selber tragen können, zahlen wir dieses Geld zurück. Voraussichtlich wird das im nächsten Jahr so weit sein.
Stetiges Wachstum
SMart gibt es mittlerweile in neun europäischen Ländern und wird sich noch weiter verbreitern. Unser österreichischer Smart-Ableger wächst seit Beginn kontinuierlich, seit dem letzten Jahr nimmt die Geschwindigkeit zu.
Bei der Gründungsversammlung der Genossenschaft im Mai 2015 waren wir 15 Leute, im November 2016 hatten wir 100 registrierte User, genau ein Jahr später knapp 400. Derzeit liegen wir bei 50 Mitgliedern der Genossenschaft und 460 registrierten Usern. Die Differenz ergibt sich daraus, dass Leute, die ihre Projekte über SMart abwickeln, nicht unbedingt sofort Genossenschaftsmitglieder werden müssen.
Bisher kamen 90 Prozent der neuen Interessenten über Mundpropaganda, wir hatten einfach keine Zeit für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Das soll sich nun ändern, seit dieser Woche kümmert sich eine neue Kollegin darum. Wir werden zudem die Homepage neu überdenken und Formate für Infos und Veranstaltungen entwickeln.
Ziele und Visionen für die Zukunft
Eines unsere Ziele ist es, mit dem Wachsen irgendwann unsere Räumlichkeiten zu vergrößern und eventuell in Richtung Co-Working-Space zu gehen. Ganz allgemein möchten wir klarerweise weiterwachsen und bekannter werden, auch über den Sektor von Kunst und Kultur hinaus. Je mehr wir sind, desto stärker wird unsere Stimme und umso mehr können wir die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Kunstschaffenden, Kreativen und ganz allgemein von Neuen Selbstständigen weiter verbessern.
Die Intention dahinter ist eine neue Form des Arbeitens unter einem solidarischen Dach als Gegentrend zum neoliberalen Einzelkämpfertum. Einerseits arbeiten die SMart-User sehr frei und selbstbestimmt, genießen aber gleichzeitig die Sicherheit einer Anstellung. Unsere Vision ist, möglichst vielen diese Form des Arbeitens zu ermöglichen.
Infos für Menschen, die immer wieder kurzfristig auch im Ausland arbeiten oder von außerhalb kommen und hier in Österreich arbeiten:
https://www.smartatmobility.com
Weiterlesen: Vom AMS in die Selbständigkeit mit dem AMS gründerprogramm
Weiterlesen: Bürogemeinschaften – gemeinsam stark
Weiterlesen: Fünf Mythen rund um die Selbständigkeit
Kommentare ( 0 )