Wie Kunst und ein Heuriger unter einen Hut passen
Der Künstler und Hobbywinzer Wolfgang Meißner wollte nur ein paar Achterln an Freunde ausschenken. Dann forderten die Behörden Genehmigungen - und der Weinbau hob ab.
Den letzten Anstoß, eine Buschenschank zu eröffnen gaben die Nachbarn. Denen war der Trubel zu viel, jetzt steckt Wolfgang Meißner ganz legal in Weidling aus und sein Zweigelt wurde vom Falstaff-Magazin bereits zum fünften Mal als einer der besten Österreichs ausgezeichnet. Womit die Eigendefinition als Hobbywinzer auf der Homepage wohl endgültig als überholt betrachtet werden muss.
Quereinsteiger
Hobbywinzer stimmt natürlich nicht mehr, unser Bio-Weinbau hat 100 Tage im Jahr ausgesteckt, und mit 2,5 Hektar sind wir für Klosterneuburg ganz normale Durchschnittswinzer. Das Hobby im Winzer kommt daher, dass weder meine Frau noch ich in der Familiengeschichte je irgendetwas mit Weinbau zu tun hatten. Aber wir sind als Klosterneuburger natürlich von frühester Jugend an zum Heurigen gegangen, erstens weil er da war, zweitens günstig, und es drittens im Ort auch kaum Alternativen gab. Und da meine Frau Renate aus Kierling stammt, ich aus Weidling, haben wir uns am Abend halt in der Mitte beim Heurigen getroffen.
Start als Techniker
Ich bin eigentlich Ingenieur für Silikat-Technik, eine Ausbildung, die es heute gar nicht mehr gibt. Silikate sind der Baustein der anorganischen Sphäre der Chemie, vom Glas bis zur Sanitärkeramik gehören da jede Menge Produkte dazu. Ich habe auch neun Monate ordentlich angestellt bei einer Firma südlich von Wien gearbeitet, habe dabei 90.000 Kilometer im Auto zurückgelegt, dann einen schweren Unfall gehabt und festgestellt, dass das nicht meine Vorstellung vom Leben ist. Und dass ich nie mehr auch nur einen Kilometer mit dem Auto wegen des Geldes fahren möchte. Und so habe ich also beschlossen, meine Ausbildung für eine Selbstständigkeit zu nutzen.
Faszination Keramik
Als Jugendlicher hatte ich eine vom Lions Club Klosterneuburg ausgerichtete Reise nach Portugal gewonnen, wo ich von den landestypischen Azulejos, den bemalten, blau glasierten Keramikfliesen begeistert war. Auf Grund einer Bekanntschaft, die ich dort gemacht habe, war ich danach regelmäßig dort und habe schließlich versucht, diese Azulejos nach Österreich zu importieren und an den Mann zu bringen.
Das hat nicht wirklich funktioniert. Es ist ja eine zweckgebundene Maßarbeit, wo der Kunde dem Künstler vertrauen muss, weil er das Ergebnis vorher nicht sieht – und ausgesprochen billig sind die handgemachten Fliesen auch nicht. Aber geblieben ist die Inspiration Reliefkeramik herzustellen, und bis vor vier, fünf Jahren habe ich das auch sehr intensiv und erfolgreich betrieben.
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Hobby Weinbau
Mein Hobby, den Weinbau, konnte ich mit der Keramik gut finanzieren. Ab dem Jahr 2000 habe ich im Glasballon zugekaufte Trauben vinifiziert. 2004 hat mir dann auf einer Weinkost einer der alteingesessenen Winzer, die mich immer wieder in den Keller mitgenommen und mir allerhand gezeigt haben, gesagt: Du, ich hab da einen Weingarten für dich, da könntest du ein bisserl was probieren, das ist genau das Richtige für dich! Was ich erst einmal stark bezweifelte, aber zwei Tage später habe ich den Pachtvertrag für 2.000 Quadratmeter unterschrieben.
2006 haben wir erstmals im Hinterhof und für Freunde und Bekannte ausgesteckt. Damals war gar nicht geplant, das professionell zu betreiben. Der Heurige sollte Kunden für die Keramik bringen und die nachbarschaftlichen Beziehungen verbessern, quasi ein Grätzelfest. Die Auflagen bzw. die Genauigkeit der Behörden – aufmerksam gemacht durch einen Anwohner – ergab, dass wir immer mehr in die Vergrößerung getrieben wurden.
Zwangsläufige Professionalisierung
Wir brauchten – und bekamen – schließlich eine Betriebsnummer, dazu eine Betriebsstättengenehmigung. Wir absolvierten den Buschenschank-Zertifizierungskurs, diverse Lebensmittel- und Hygieneschulungen und melden nun jedes Mal rechtzeitig die Buschenschankzeiten an – alles nur, um ein paar Achterl und Spritzer auszuschenken.
Seit 18. Juni 2011 sind wir eine offizielle landwirtschaftliche Produktionsstätte, laufend auf den Namen Renate Meißner, da in Österreich nur ein Ehepartner versicherungsrechtlich Bauer sein kann. Meine Frau hat ihren Job in der Verwaltung beim Landeskrankenhaus Klosterneuburg also aufgegeben, ich selbst bin bei der SVS als Künstler versichert, arbeite bei Schlechtwetter in der Keramikwerkstatt und bei Sonne im Weingarten, wir sind also seither selbst und ständig.
Familienfreundlicher Lebensentwurf
Das hat sich sehr gut ergeben, denn Renates Karenz nach dem dritten Kind war gerade ausgelaufen, und es ist ziemlich schwierig, bei fünf Wochen Urlaub und neun Wochen Schulferien, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Wir haben einen Familienrat abgehalten, beschlossen, ein kinderverbundenes Leben zu führen, und meine Frau hat den Fulltimejob der Familien- und Weinbaumanagerin übernommen.
Wir mussten also ausrechnen, wie umfangreich unsere Weinbauaktivitäten sein müssen, damit wir davon leben können. Mittlerweile sind wir bei 115 Ausschanktagen angekommen. Dazu machen wir ein paar Aktivitäten außer Haus, Verkostungen am Markplatz etwa oder am Leopoldi Markt. 2015 haben wir ganz auf biologischen Weinbau umgestellt, das bedeutet, dass wir voll eingesetzt sind.
Weltweiter Handel mit Bottle Art
Daneben mache ich weiterhin meine Bottle Art – in flache Form geschmolzene Weinflaschen, auf denen man beispielsweise servieren oder sie als Aschenbescher verwenden kann. Diese Objekte vermarkte ich über die Österreichische Weinmarketing Gesellschaft und in den Stores vom Leo Hillinger, dort natürlich mit seinem Logo. Um die Logos eingravieren zu können, habe ich einen High-Tech-Laser angeschafft. Mit dem kriege ich sogar das Logo der Vinothek St. Stephan hin, das sie sich gewünscht haben. Die helfen mir auch beim Export meiner Flaschenkunst, die ich in Europa, Asien und Südamerika verkaufe.
Entstanden ist dieser Geschäftszweig zufällig: Der Brennofen für meine Meißner Keramik war noch warm, und ich habe zu experimentieren begonnen, weil ich für mich einen Aschenbecher wollte. Der ist nicht wirklich gelungen, die für die Umnutzung nötige offene Schale ist aber super geworden und verkauft sich hervorragend. Ich habe inzwischen ohnehin zu rauchen aufgehört, das passt also. Der Brennofen steht übrigens in einem Raum hinter dem Stüberl. Sobald wir nicht mehr ausg'steckt haben, verschwinden die Sitzgelegenheiten und das große Bild an der Wand hinter der der Ofen steht, und ich arbeite wieder mit meinen diversen Siliziumderivaten.
Kunst und Weinbau in Balance
Auch beim Weinmachen hilft mir meine chemische Ausbildung übrigens ganz hervorragend: Man versteht gleich die Zusammenhänge, vor allem auch die Wichtigkeit absoluter Sauberkeit von der Riede bis in den Keller. Wir produzieren jetzt auf zweieinhalb Hektar Fläche. Davon sind allerdings ein Teil besonders alte Reben, die nicht so viel Ertrag bringen und einen Teil haben wir neu ausgepflanzt. Der Ertrag liegt bei etwa 10.000 Liter, also circa 13.000 Flaschen. Das ist mehr als ausreichend für die Buschenschank und um die Gäste mit der Übermenge ab Hof zu versorgen.
Für den nächsten Schritt müsste ich mir einen Händler suchen. Klosterneuburg verfügt ja de facto über Null Gastronomie, außerdem gilt hier der Spruch vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt. Der Restaurantgast in Klosterneuburg trinkt keinen regionalen Wein, den kriegt er eh beim Heurigen. Selber in Wien Klinkenputzen, um da und dort ein paar Flaschen unterzubringen, bereitet mir auch keine Freude. Außerdem muss man in der Gastronomie haarsträubende Rabatte auf den Ab-Hof-Preis gewähren. Um da wirtschaftlich arbeiten zu können, müsste man schon sehr stark wachsen, das wollen wir nicht.
Überschaubare Größe
In der Größe, die wir jetzt haben, lässt sich der Weinbau als Familienbetrieb gut führen. Bis auf die kleinste, die mit 14 Jahren zwar aushilft, der das aber nicht gar so taugt, sind die Jungen voll eingebunden. Die ältere Tochter kümmert sich gemeinsam mit meiner Frau ums Kulinarische und steht hinter dem Buffet, mein Sohn hat die Weinbauschule absolviert, das Handwerk also richtig gelernt. Es ist immer wieder lustig, wenn er etwas theoretisch begründen kann, das ich empirisch erfahren habe. Das Ergebnis ist meist dasselbe, aber er kennt die Fachausdrücke.
Mein Sohn hat auch Praxis im Ausland gesammelt, in den besten Häusern der Mosel Gegend, Schwerpunkt Riesling und gereifte Weine. Nach der Matura hat er sich stark eingebracht und den Anstoß für Bio gegeben. Und er ist Europameister im Winetasting, also der Beste aus 30 europäischen Weinbauschulen, dazu Schnapstester für den Landeswettbewerb und zertifizierter Obstkoster. Er weiß also wirklich, wovon er redet, seine Sensorik ist quasi staatlich kalibriert und er kann korrektes Feedback geben. Die ganze Familie arbeitet also am Wein, besser geht's gar nicht!
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