Wie die Familie Komarek mit dem "Schani" das Hotel neu erfinden will
Ein Smart-Hotel mit Co-Working Spaces und einem Roboter als Concierge: Die Konzeption des Schani berücksichtigt neueste Erkenntnisse der Tourismusforschung.
Die Komareks sind Hoteliers in der dritten Generation. Während das Stammhaus am Wiener Gallitzinberg von der Mutter geführt wird, haben deren Söhne – mit tatkräftiger angeheirateter Hilfe – mit dem Schani am Hauptbahnhof etwas völlig Neues probiert. PR- und Marketingdirektorin Anita Komarek erläutert für Port41 das innovative Hotelkonzept.
Der Markt verlangt Besonderes
Mein Mann Alexander und sein Bruder Benedikt wollten zwar unbedingt in der Hotellerie bleiben, aber etwas ganz Eigenes auf die Beine stellen, statt einfach nur ins Familienunternehmen einzusteigen. Und es sollte etwas Besonderes sein. Denn einfach nur noch mehr Betten anzubieten genügt in Wien nicht, um im Geschäft zu bleiben und auch noch Geld zu verdienen. Es musste also etwas Neues, noch nicht Dagewesenes und Innovatives sein. Wir nennen es Smart-Hotel.
Ein Projekt des Fraunhofer Instituts
2008, in der Projektphase, sind wir auf dem Hotel-Forum, dem europäischen Branchentreff, auf ein Projekt des renommierten Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation gestoßen. Für das Projekt Future Hotel hat das Institut jahrelang Gästebefragungen durchgeführt und erforscht, was Hotelbesucher sich für die Zukunft wünschen – sowohl was die Ausstattung, als auch die Guest Journey anlangt. Also den Ablauf vom Erstkontakt über die Buchung übers Einchecken bis zur Zahlung.
Erstes real-existierendes Future Hotel
Mein Mann und mein Schwager waren mit einem Hotel-Consulter auf dem Kongress. Der wusste, dass das Fraunhofer Institut einen Partner suchte, um die Forschungsergebnisse umzusetzen. Die großen Ketten sind dafür zu unflexibel, die Entscheidungsfindung zu langwierig. Eigentümer traditioneller Häuser meist zu konservativ, um sich über so einen Schritt d'rüber zu trauen. Der Kontakt wurde geknüpft, das Schani Partner des Instituts, und so zum ersten real-existierenden Future Hotel.
Einstieg in der Planungsphase
Wir hatten vor allem auch den Vorteil, dass sich unser Haus noch in der Planungsphase befand. Viele der notwendigen technischen Voraussetzungen würden bei einem nachträglichen Umbau hohe Kosten verursachen. Wir hingegen konnten von Anfang an jene Voraussetzungen schaffen, die ein Smart-Hotel zum Funktionieren braucht. So haben wir etwa darauf geachtet, möglichst wenig unterschiedliche Kategorien zu haben. Es gibt straßen- oder gartenseitige Zimmer, sowie die größeren Maisonette-Zimmer im Dachgeschoss, die regulären Preise beginnen bei 75 Euro, können aber auch billiger sein, wenn das System geringe Nachfrage feststellt. Dazu kann der Gast online noch Frühstück bestellen oder seinen Hund anmelden. Das war's.
Technische Routine ?
Der Gast bucht online und kann dann in der Lobby – am Check-In-Automaten, einem Tablet an der Bar – einchecken und erhält eine Key-Card, wobei natürlich immer jemand in der Nähe ist, der unterstützend eingreifen kann. Er kann sich aber auch mittels App am Mobiltelephon den Schlüssel für die Zimmertür herunter laden und direkt auf sein Zimmer gehen.
Bei diesen technischen Lösungen geht es nicht darum, Personal einzusparen – schließlich lebt die Hotellerie vom persönlichen Service. Nicht umsonst trägt unser Haus den Namen Schani nach jenem dienstbaren Altwiener Archetypen, der unseren Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich machen soll. Während also die Technik die Abläufe erledigt, die sich automatisieren lassen, bleibt den Angestellten im Hotel mehr Zeit für die persönliche Interaktion mit den Gästen – etwa um Beschwerden entgegen zu nehmen oder Tipps zu geben, was man in Wien unternehmen kann und wie man wo hinkommt.
? persönliche Betreuung
Dafür braucht man natürlich motivierte und gut geschulte Mitarbeiter. Ohne die bringt die ganze Technologie gar nichts. Sie müssen stets aufmerksam sein. Ein Gast, der hereinkommt und einchecken will, darf nie den Satz Ich schick' gleich den Kollegen hören, der ist dem Chef vorbehalten! Das sind die persönlichen Erfahrungen, die wir im Hotelbusiness gemacht haben und Details, die auch das Fraunhofer Institut nicht in Form einer technischen Lösung liefern kann, die aber den Charakter des Hauses ausmachen.
Coworking-Space für den speziellen Spirit
Von uns stammt auch die Idee mit dem Co-Working-Space. In meiner Zeit als selbstständige Hotel-PR- und -Marketing-Beraterin hatte ich mein Büro immer in Coworking-Spaces und ich wollte das auch gerne beibehalten, als klar wurde, dass mein Auftrag im Schani zum Full Time Job werden würde.
Ich habe es stets geschätzt, mein eigenes Büro, aber keine exorbitanten Kosten zu haben und mich dort mit anderen Menschen austauschen zu können. Es entsteht ein ganz spezieller Spirit. Besonders ist mir das in meinem Erasmus-Jahr in Utrecht aufgefallen. Man fragt, wenn man nach irgendeinem Input sucht, im Gemeinschaftsraum einfach in die Gruppe, und es entstehen ganz neue Lösungsansätze.
Lagevorteil am Hauptbahnhof
Also haben wir von Anfang an zwölf Co-Working-Plätze mitgeplant, die wir nicht nur selber nutzen, sondern auch gerne teilen. Entweder tageweise oder auch auf Basis von 10- oder 30-Tages-Pässen, die man innerhalb von drei beziehungsweise sechs Monaten aufbrauchen kann.
Dieses Modell funktioniert an unserer Location ganz hervorragend: Das Hotel liegt direkt gegenüber vom Hauptbahnhof, viele unserer Co-Worker kommen einen Tag in der Woche nach Wien, um hier ihre Geschäfte und Meetings zu erledigen. Die schätzen auch das Frühstücksbuffet, das sie natürlich ebenfalls nutzen können. Oft verbinden sie gleich den ersten Geschäftstermin mit einem ordentlichen Businessfrühstück.
Über den Sommer ist die Nachfrage übrigens deutlich geringer, ich nehme a,n unsere Co-Working-Kunden arbeiten da am Strand.
Umfassendes Angebot
Wir bieten die ganze Büro-Infrastruktur zu Fair Use-Konditionen an, das heißt, es gibt a priori keine Beschränkungen. Es gibt Besprechungsplätze und für größere Meetings oder Konferenzen kann man die entsprechenden Räume des Hotels nutzen. Momentan haben wir 30 Kunden, die regelmäßig ihre Pässe nutzen, meist verteilen sich die völlig problemlos. Aber auch wenn fast alle gleichzeitig kommen, ist das kein Problem, wir haben ja in der Lobby und im Garten genug Platz. Im Herbst werden noch ein paar weitere Räume fertig, die Nachfrage ist doch grösser als erwartet.
Was technische Ausstattung, WLAN und Serverleistung anlangt, sind wir als Smart-Hotel sowieso bestens aufgestellt. Darüber hinaus bieten wir auch ein Post- und Adressservice an, das heißt, man kann seine Firma an unserer Adresse registrieren lassen.
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Am Ball bleiben
Wir versuchen immer, Neuerungen in den täglichen Betrieb einfließen zu lassen. Wir haben etwa den ersten Cryptowährungsautomaten Österreichs, der auch ankaufen kann. Das ist insofern etwas besonderes, als alle anderen Cryptowährungen nur verkaufen. Wir haben ihn angeschafft, nachdem wir einen Infoabend mit Christian Halper, der sich nach dem Ausstieg bei Superfund intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat, im Hotel veranstaltet haben.
Leider haben wir noch nicht die nötige Software, mit der man Rechnungen bei uns mit Bitcoin oder Ether zahlen kann. Da sind die einschlägigen Hotellösungen noch etwas hinten nach.
Ein SchaniBot als Concierge-Service
Aber wir werden demnächst unseren ersten Roboter als Unterstützung an der Rezeption einstellen. Der SchaniBot gibt nicht nur Informationen über das Hotel und die Stadt, die Gäste können ihn auch etwa nach dem nächsten Zug zum Flughafen fragen und ihn dazu auch ein Ticket besorgen lassen. Das ist wieder eine Kooperation mit dem Fraunhofer Institut: Wir dürfen als erste den Concierge der Zukunft bei uns einsetzen.
Der SchaniBot wird auch Feedback von den Gästen einholen, damit wir uns weiter verbessern können. Und weil unser Hotel natürlich behindertengerecht gebaut ist, kann er sich, wenn er sich bewährt, auch gleich ums Room-Service kümmern und uns helfen, noch besseres Service anzubieten.
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