Wie die Focusing-Trainerin Ruth Sar-Shalom in Wien Fuß fassen konnte
Als die Israelin nach Österreich zog stellte sich die Frage, wie ihr Beruf mit der Gewerbeordnung in Einklang zu bringen wäre. Eine ergänzende Ausbildung war die Lösung.
Zwei Mal übersiedelte die Israelische Focusing-Trainerin Ruth Sar-Shalom nach Österreich: Das erste Mal wegen des Mannes, den sie bei einem Symposium von Therapeuten in Griechenland kennengelernt hatte. Das zweite Mal, 2015, wegen ihrer inzwischen halbwüchsigen Kinder. Das erlaubte ihr auch, sich – nach entsprechender Anerkennung und Ergänzung ihrer Ausbildung – mit eigener Praxis selbstständig zu machen.
Internationale Trainer-Community
Ich habe mich schon in Israel lange mit körperzentrierter Arbeit beschäftigt, die ich in meiner eigenen Praxis mit Klienten praktiziert habe. Im Zuge eines Kongresses und Workshops für Trainer aus aller Welt auf einer griechischen Insel im Jahr 1997 habe ich einen Kollegen kennen gelernt. Wir haben uns in den folgenden Monaten ein paar Mal getroffen und im Jahr darauf geheiratet.
Erstversuch in Wien
Wir haben erst in Israel, dann eine Zeit lang in Österreich gelebt. Ich habe in der Praxis einer Bekannten gearbeitet und mein erstes Kind bekommen. Ich fühlte mich aber nicht sehr glücklich. Die österreichische Lebensart war mir fremd, wegen der kleinen Tochter bin ich wenig unter die Menschen gekommen. Kurz, wir beschlossen, nach Israel zu übersiedeln. Mein Mann hat dort schnell Jobs gefunden. Er hat Innenausstattung und Holzböden gemacht, das war sehr gefragt, denn in Israel gab es nicht viele, die diese Qualität liefern konnten.
Focusing-Trainerin
Wir bekamen unser zweites Kind, ich habe danach wieder praktiziert und verschiedene weitere Therapieformen erlernt. Besonders fasziniert war ich vom Focusing. Diese Methode hat der Psychotherapeut und Philosoph Eugene T. Gendlin entwickelt, ein 1926 geborener Wiener, der nach der Flucht in die USA studierte und Professor für Philosophie und Verhaltenswissenschaft an der Universität Chicago wurde.
Im Zuge seiner Forschungsarbeit untersuchte er eine Frage, die die meisten Psychotherapeuten nicht gerne stellen: Weshalb gelingt eine Therapie nicht häufiger, weshalb bewirkt sie so selten eine echte Änderung im Leben eines Patienten? Gendlin analysierte daher die erfolgreichen Patienten. Als gemeinsames Merkmal fiel ihm die Art und Weise auf, wie die Patienten – unabhängig vom Therapeuten – über ein Problem sprachen und sich dabei immer wieder ihre körperlichen Empfindungen bewusst machten.
Gendlin kam zu dem Schluss, dass die eigentliche Arbeit nicht der Therapeut, sondern der Patient leistet. Dementsprechend stellt er die Rollenverteilung auf den Kopf, der Patient wird zum Therapeuten, zum Focuser, der den Prozess selbst steuert und seine Körperempfindungen bei der Suche nach Quellen persönlicher Probleme einbezieht.
Neue Lebensumstände
Die Methode ist in Israel bekannt und beliebt, ich hatte ausreichend Klienten. Doch die Situation in Israel ist eine instabile. Irgendwann hätten unsere Kinder zum Militär gemusst, meine Tochter für zwei, mein Sohn für drei Jahre. Und unter Umständen bleibt es da nicht nur beim Training. Wir haben also beschlossen, wieder nach Österreich zu übersiedeln. Und zwar rechtzeitig, die Kinder sollten hier in die Schule gehen, um die Sprache wirklich zu beherrschen. 2015 sind wir übersiedelt.
Anerkennung der Ausbildung
Ich wollte natürlich weiter praktizieren. Focusing war in Österreich zwar einigen schon bekannt, aber noch nicht weit verbreitet. Ich habe also erst einmal damit begonnen, Kurse zu geben und in Einzelsitzungen zu arbeiten. Ich darf Focusing in Österreich umfassend praktizieren. Ich habe mich aber dazu entschieden, die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin zu absolvieren, weil diese Ausblidung meine Möglichkeiten erweitert.
Nachdem ich diese abgeschlossen habe und auch meine Ausbildung in Israel anerkannt wurde, kann ich mich jetzt voll auf Focusing konzentrieren.
Seminare und Enführungskurse
Beim Focusing geht es ja vor allem darum, den Klienten Techniken nahe zu bringen, die sie dann selbst anwenden. Gendlin selbst hat ganz bewusst auf fachsprachliche Ausdrücke verzichtet. Es liegt im Wesen des Focusing, dass man es verstehen und anwenden kann, ohne ein aufwendiges Studium absolvieren zu müssen. Man kann sich die nötigen Techniken auch selber beibringen. Idealerweise geschieht dies aber in partnerschaftlichen Sitzungen, wie ich sie derzeit in einem Seminarzentrum in Pressbaum und in meiner Praxis in Wien anbiete. Ich veranstalte dort auf einander aufbauende Kurse, der Einführungskurs dauert dreimal dreieinhalb Stunden, das Interesse ist groß.
In Wien angekommen
Interessant war ein Erlebnis, das wir hatten, als wir eine Schule für unsere Tochter aussuchen wollten. Eine Möglichkeit war das BRG9 in der Glasergasse, man hat uns einen Folder mitgegeben, aus dem die Angebote der Schule und – ganz klein gedruckt – ein paar der wichtigsten Absolventen ersichtlich waren. Erst beim Hinausgehen habe ich den Namen Eugen Gendlin entdeckt.
Später hat mich ein Lehrer darauf angesprochen und mir erzählt, dass Gendlin bis zu seiner Flucht Schüler in der Glasergasse war. Er hat mich gefragt, ob ich nicht vor den Schülern über ihn referieren möchte. Ich bin zwar selbst mit meinem Deutsch noch nicht wirklich zufrieden, der Lehrer hat aber meine Zweifel zerstreut. Schaut ganz so aus, als hätte mich Gendlin nach Österreich zurückgebracht – und im zweiten Anlauf fühle ich mich hier auch wirklich wohl. Warum soll ich ihn also nicht im Gegenzug auch wieder ein bisschen zurück nach Wien bringen?
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