Wie einer Juristin der Schritt vom Burnout in die Selbständigkeit gelang
Als bei der Juristin Silke Solly ein Burnout diagnostiziert wurde, krempelte sie ihr Leben um. Mit ihrer Firma "Lieblingsrock" ist sie heute erfolgreich selbständig.
Silke Solly, Juristin und vierfache Mutter, war gut auf der Karriereleiter unterwegs, als sich massive Symptome eines Burnout einstellten. Daraufhin verließ sie den Karriereweg, wagte den Sprung ins kalte Wasser der Selbstständigkeit und lebt seither mit ihrer Firma Lieblingsrock ihre Kreativität aus.
Vernunftstudium Jus
Ich hatte immer den Traum, einen kreativen Beruf zu ergreifen. Nach der Matura bin ich auf ein Jahr als Au Pair nach Florenz gegangen. Wieder zurück in Wien habe ich alle möglichen Jobs gemacht, schließlich habe ich ein Jusstudium begonnen. Meine beste Freundin, mit der ich zusammen gewohnt habe, hat das auch studiert. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse. Ich erwartete gerade mein erstes Kind und konnte mich bei der damaligen Studienordnung relativ problemlos auf die Prüfungen vorbereiten.
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Attraktiver Job
Nach der Sponsion habe ich mich nach einem Job umgesehen, und bin prompt vom ersten Vorstellungsgespräch weg angestellt worden. Ich konnte mich fachlich bewähren, und auch die soziale Komponente kam nicht zu kurz. Ich hatte das Gefühl, etwas Vernünftiges zu tun. Auf eine Ausschreibung hin habe ich mich für eine Führungsposition beworben und sie auch bekommen. Ich war also bestens unterwegs auf der Karriereleiter – und fand es toll.
Vier Kinder und Karriere
Ich habe mein viertes Kind bekommen, war nur mehr zwei Monate in Karenz – es war "immer noch ein bisschen mehr, ein bisschen besser". Mein Mann hatte als Volksschullehrer genug Zeit, wir konnten also die klassische Rollenverteilung einfach umdrehen. Aber mit der neuen Position begann sich das Blatt zu wenden. Es ging mir einfach nicht mehr gut.
Wir haben uns auf der Führungsebene natürlich auch mit Fragen der Prävention beschäftigt, aber das Burnout-Syndrom, dem vorzubeugen wir allen geraten haben, war in meiner Vorstellung damals eher eine Modeerscheinung. Meine Symptome, etwa dass ich keine Luft mehr bekommen habe, habe ich nicht ernst genommen. Gründliche Untersuchungen haben ja auch ergeben, dass ich eigentlich völlig gesund bin.
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Körperlicher Zusammenbruch
Erstmals wirklich bewusst geworden sind mir meine Probleme, als ich aus einem Urlaub überhaupt nicht mehr heim und zurück an die Arbeit wollte. Ich habe danach gleich versucht, die Teamleitung zurückzulegen und wieder eine Position zu bekommen, wo ich nicht ständig Entscheidungen treffen muss.
Ich gab meinen Entschluss bekannt – allerdings musste meine Position erst öffentlich ausgeschrieben werden. Ich wusste also, dass ich wegkonnte – aber nicht wann und von da an ging es rapide bergab. Am 4. Jänner 2015 stellte ich beim Kochen fest, dass eine Hüfte taub war, innerhalb einer Stunde war die gesamte rechte Körperhälfte gefühllos. Ein befreundeter Arzt, den wir angerufen haben, hat mich sofort ins Spital geschickt.
Diagnose Burnout
In der Neurologie am Rosenhügel angekommen hatte ich bereits Sprachschwierigkeiten. Wegen des Verdachts auf einen Schlaganfall wurde ich sofort in die Magnetresonanzröhre geschoben, die Untersuchung brachte allerdings keinen Befund. Ich blieb über Nacht, die Ärzte meinten, das könne auch nur ein Vorzeichen gewesen sein. Eine weitere Untersuchung folgte – wieder nichts.
Am nächsten Tag in der Früh ist ein Arzt gekommen, hat sich auf mein Bett gesetzt, und gefragt: Frau Solly, was ist denn los? Und dann ist es aus mir nur so herausgebrochen. Der Arzt hat mich sofort da behalten, obwohl die Neurologie ja nicht zuständig gewesen wäre, hat alle Untersuchungen gemacht, die sie auf Lager haben, und mich unbefristet krankgeschrieben. Und ich hatte schwarz auf weiß den Beweis, dass es Burnout doch gibt.
Im Krankenstand
Im Endeffekt war ich dann bis zum Sommer im Krankenstand. In dieser Zeit habe ich angefangen, Röcke für mich zu nähen. Und bald habe ich mich intensiver mit der Idee beschäftigt, daraus ein Business zu machen. Ich bin also zur Wirtschaftskammer gegangen und habe mich beraten lassen. Die waren ausgesprochen reizend und hilfreich. Aber ich würde einen Befähigungsnachweis erbringen müssen, außer ich wäre Schneidermeisterin. War ich natürlich nicht, aber mir war auch klar, dass ich nicht mehr zurück ins Büro gehen würde. Der Dienstvertrag wurde schließlich einvernehmlich gelöst.
Unternehmens-Gründung beim AMS
Über das AMS bin ich dann ins Unternehmens-Gründungsprogramm gekommen. Meine Betreuerin hat mir unheimlich viel geholfen, und man gewinnt dort auch ein paar Monate Zeit, in denen man Geld erhält. Der Businessplan war für mich das geringste Problem, immerhin habe ich ja eine brauchbare Ausbildung genossen. Dazu gab es ein paar zusätzliche Kurse, die einen auf die Selbstständigkeit vorbereiten, in meinem Fall hat die das RIZ (Niederösterreichs Gründeragentur) geliefert, die auf Unternehmensgründungsthemen spezialisiert sind. Alle Kurse waren kostenlos und wirklich sehr hilfreich.
Individuelle Gewerbeberechtigung
Es blieb aber die Frage der Gewerbeberechtigung, ich war ja immer noch keine Schneidermeisterin. Über eine Facebook-Gruppe habe ich dann erfahren, dass es aber durchaus auch andere Möglichkeiten gibt. Nachfragen in der Innung haben dann ergeben, dass ich einen auf Röcke eingeschränkten Kleidermachergewerbeschein beantragen kann. Dazu musste ich in einer Berufsschule im tiefsten Waldviertel eine Prüfung ablegen.
Die Fahrt dorthin war eine Tortur. Nie vorher habe ich solche Prüfungsangst gehabt, ich hatte ja keine Ahnung was mich dort erwartet. Gewerbeangelegenheiten sind aber Landessache, und die Niederösterreichische Innungsmeisterin, die in der Prüfungskommission sitzt, ist Quereinsteigerinnen gegenüber sehr offen eingestellt. Ich wurde sehr freundlich empfangen und war kurz darauf berechtigt, selbstständig Röcke zu nähen.
Start mit Selbstzweifeln
Seit 1. März 2016 bin ich offiziell eine Firma und im Rahmen des Edelstoff-Pop-up-Markts in Wien habe ich mich erstmals in die Öffentlichkeit getraut. Die ersten Auftritte sind ja gar nicht so einfach. Man weiß nicht, wo man steht, fürchtet immer, mit seinen Basteleien im Schatten der Arrivierten übersehen zu werden. Die Selbstsicherheit, die ich als Juristin jahrelang gewohnt war, hat sich erst später wieder eingestellt.
Im ersten Jahr habe ich viel experimentiert, herumprobiert und meinen Stil entwickelt. Anfangs habe ich zu Hause genäht, dann ist mir ein leer stehendes Gewerbeobjekt in der Nähe des Kindergartens meiner jüngsten Sohnes aufgefallen. Das habe ich als Werkstatt und Showroom angemietet.
Mundpropaganda
Meine Kundinnen haben mich hauptsächlich über Mundpropaganda gefunden, die können jetzt in den Showroom kommen und sich Schnitte und Stoffmuster ansehen. Jeder Rock wird genau nach Kundinnenwunsch individuell angefertigt. Weil was man an interessanten Sachen von der Stange findet, passt ja nicht jeder Frau, und bei der Schneiderin ist es den meisten zu teuer. Meine Röcke kosten so viel, wie ich selbst immer zu zahlen bereit war, also zwischen 89 und 179 Euro. Da muss man nicht lange überlegen, ob man sich einen meiner Röcke zum aus der Reihe tanzen leisten kann!
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