Sozialversicherung: gleiches Recht für alle
Eine Reform der Selbständigen-Arbeitslosenversicherung steht an.
Die Österreicher besitzen in der Sozialversicherung (SV) de facto keine Wahlrechte. Bei welcher Kasse man versichert ist, entscheidet die SV. Auch ob ein Voll-Versicherungsmodell oder ein Versicherungsmodell mit Selbstbehalten die Grundlage bilden, hängt von der Kasse ab, der man zugeordnet wird. Das unterscheidet die Österreicher massiv von ihren Nachbarn in der Schweiz oder Deutschland, wo diese Entscheidungen den Versicherten überlassen wird – ganz nach dem Motto freie Wahl für mündige Bürger.
Kleine Wahlmöglichkeiten für Selbständige
Zumindest für Selbständige gibt es auch in Österreich kleine Wahlmöglichkeiten: Selbständige haben die Möglichkeit, zusätzlich zu einer Basis-Pflichtversicherung der SVS, eine freiwillige Krankengeld- oder Arbeitslosenversicherung abzuschließen. Diese Opt-in Möglichkeit für die Arbeitslosenversicherung (ALV) wurde im Jahr 2009 geschaffen, wird aber nur von einer Handvoll Unternehmern in Anspruch genommen: Von insgesamt über 465.000 Selbständigen haben nur knapp 3.000 Selbständige/EPU freiwillig in die ALV hinein optiert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand:
- Eine verpflichtende Arbeitslosenversicherung und der damit verbundene Zwang, Pflicht-Beiträge zu bezahlen, widersprechen dem Wunsch nach Eigenständigkeit der Selbständigen meist diametral. In Schweden oder Dänemark beispielsweise gibt es überhaupt nur freiwillige Arbeitslosenversicherungen. Gerade die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten und Sozialsysteme gelten als Vorbild an Sicherheit. Sie sollten für uns zum Vorbild und Denkanstoß werden.
- Davon abgesehen, dass Selbständige durch die freiwillige Arbeitslosenversicherung mit zusätzlichen Kosten konfrontiert sind, werden sie gegenüber Unselbständigen in der ALV benachteiligt. Wenn Arbeitnehmer weniger als 1.948 Euro brutto im Monat verdienen, zahlen sie reduzierte Arbeitslosenversicherungsbeiträge (3-5%). Arbeitslosenversicherte Selbständige kommen jedoch nicht in den Genuss dieser Betragsreduktion und zahlen einkommensunabhängig die vollen 6%.
Ungleichbehandlung in der Arbeitslosenversicherung
Diese Ungleichbehandlung muss schnellstmöglich behoben werden. Denn jeder, der sich an der Finanzierung der ALV beteiligt, muss auch mit den gleichen Beitragsregelungen und -ausnahmen behandelt werden. Vor allem bei Geringverdienern, bei denen jeder Euro zählt, muss man ein System schaffen, das unternehmerisches Handeln und Erwerbstätigkeit fördert, anstatt zu bestrafen und schlechter zu stellen. Jedes Unternehmen fängt einmal klein an.
Anreiztechnisch besteht aus meiner Sicht lediglich die Gefahr, dass in eine optionale ALV tendenziell jene Unternehmer hinein-optieren, die eher mit Arbeitslosigkeit rechnen. Um hier Fehlanreize zu vermeiden, plädiere ich dafür, dass der Bonus eines reduzierten ALV-Beitragssatzes erst nach einer erfolgreichen Gründungsphase (1-2 Jahre) bzw. für etablierte Unternehmer gewährt wird.
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Ungleichbehandlung bei der Zuverdienst-Höchstgrenze beim AMS
Selbständige, die eventuell nebenher einer unselbständigen Anstellung nachgehen und diese verlieren, sollen natürlich die Ansprüche auf ihr Arbeitslosengeld nicht verlieren. Hier sehe ich eine zweite Ungleichbehandlung für Unternehmer. Denn für sie gilt bei Arbeitslosigkeit eine geringere Zuverdienst-Höchstgrenze (12 x 438 Euro) als bei Unselbständigen (14 x 438 Euro). Auch hier muss für Selbständige angepasst werden.
Alles in allem hat die Ministerin in Beantwortung meiner parlamentarischen Anfrage bereits Bereitschaft zur Reform signalisiert. Daraufhin haben wir noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzesantrag eingebracht, um die Sache ins Rollen zu bringen. Läuft jetzt alles nach Plan, ist mit einer Gleichbehandlung von selbständig und unselbständig Arbeitslosenversicherten bzw. reduzierten Beitragssätzen hoffentlich schon ab 1.1.2019 zu rechnen.
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