Werden wir in Zukunft alle selbständig sein?
Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Als vorübergehend Beschäftigte und Freiberufler. Das sagt die Mercer Talent Trends Studie 2019 voraus. Sind wir darauf vorbereitet?
Vorübergehend Beschäftigte und Freiberufler werden in den kommenden Jahren die Vollzeitbeschäftigung weitgehend ersetzen. Davon gehen immerhin 79 Prozent der für die Global Talent Trends-Studie 2019 von Mercer befragten Führungskräfte aus. Insbesondere der GIG-Economy – also kurzfristige Jobs, die meist über entsprechende Online-Plattformen vermittelt werden – wird ein rasantes Wachstum vorausgesagt.
Das ist nicht überraschend. Digitalisierung, Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz haben die Art, wie wir arbeiten, längst radikal verändert. Das belegt nicht zuletzt auch die Zahl der Selbständigen und atypisch Beschäftigten, die in den letzten Jahren kontinuierlich kräftig gestiegen ist.
- Über 300.000 Selbständige sind Solopreneure oder EPU (Ein-Personen-Unternehmen), das sind fast zwei Drittel aller Unternehmen.
- Dazu kommen über 50.000 so genannte Neue Selbständige, dazu gehören etwa Vortragende, Journalisten, Physio- und Psychotherapeuten oder Autoren, die keinen Gewerbeschein benötigen.
- Etwa ein Drittel aller Arbeitnehmer in Österreich (also knapp über 1 Million) sind atypisch beschäftigt. Das bedeutet: Sie haben keinen Vollzeitjob sondern arbeiten in Teilzeit, geringfügig, als freier Dienstnehmer, befristet oder in Leiharbeit.
Eine Vision der Arbeit
Werden wir, wenn dieser Trend anhält, tatsächlich alle Selbständige? Wie weit kommen EPU, die keine besondere Spezialisierung haben? Wie viel Absicherung können sich Solopreneure, etwa für den Krankheitsfall, leisten? Gibt es noch Mindesthonorare, wenn Jobs über internationale Task-Plattformen abgewickelt werden? Welche Aufgaben haben Wirtschafts- und Arbeitskammer in diesem Szenario?
Genug Fragen also. Wer bemüht sich um Antworten? Eine Diskussion um die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge für Kleinstunternehmen ist zu kurz gegriffen. Es braucht eine umfassende Vision, wie faire Arbeitsbedingungen für alle aussehen könnten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Selbständige sollten mit der geforderten Flexibilität und Innovationsfreude Schritt halten.
Selbständigkeit muss einfacher werden
Und Selbständigkeit muss einfacher und unbürokratischer werden. Eine einfache Steuererklärung, eine zeitnahe Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge müsste im Zeitalter der Digitalisierung online ohne besondere Fachkenntnisse erstellbar sein. Es sollte für Kleinstunternehmen leistbar sein, im Bedarfsfall kurzfristig Arbeitskraft zuzukaufen. Die Vereinbarkeit von Kindern und Selbständigkeit muss zur Selbstverständlichkeit werden, der Bezug von Kinderbetreuungsgeld ließe sich – Digitalisierung sei Dank – sicherlich ganz unkompliziert gestalten.
Dass sich Antworten auf diese Fragen und konkrete Modelle nur in einem größeren Kontext entwickeln lassen, liegt auf der Hand. Die bevorstehenden Europawahlen wären ein gute Gelegenheit, diese Themen auf die Tagesordnung zu setzen.
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